Bei Fassaden sind zwei Systeme die stärksten Kontrahenten – das Wärmedämmverbund-System (WDVS) und vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF). Neue Erkenntnisse bringen alte Denkmuster ins Wanken. Text von Lukas Pawek.
Hinterlüftete Fassade der Villa Verdi in Wien. Bild: Hösch
Beim WDVS-System ist der Unterputz mit dem Oberputz direkt mit dem Dämmsystem verbunden – im Gegensatz zur VHF, wo zwischen der Dämmung und der Fassade eine Luftschicht Teil des Systems ist. Hier wird auf eine möglichst wärmebrückenfreie Befestigung der Fassade geachtet, z. B. mittels BeziFix-Dübeln von Sihga, wie Markus Delivuk von Rockwool berichtet. Um Schädlingen vorzubeugen, wird der Luftspalt zusätzlich mit Gittern geschützt. Die (vorgehängte) Fassade bietet naturgemäß mehr Gestaltungsmöglichkeiten als ein klassischer Verputz. Von reinen ästhetischen Fassadenplatten über begrünte oder stromproduzierende Fassaden gibt es hier einen breiten Gestaltungsspielraum. Dadurch kann eine Fassade gleich mehrere Probleme in Städten lösen.

Keine heiße Luft
Stichwort Überhitzung und Erreichung der Klima-Ziele. Auch die Lebensdauer ist im Regelfall höher als bei WDVS, was teure Reparaturen, Reinigungen und Wartungsarbeiten verringert. Damit bieten VHF wesentliche Vorteile. Doch in Zeiten knapper Budgets und dringend benötigtem günstigen Wohnraum fiel die Wahl im privaten Wohnbau bisher meist zugunsten von WDVS aus. Ob dies so bleiben wird, darf bezweifelt werden, da eine neue Studie Wasser auf die Mühlen der VHF-Anbieter spült.

Irrtum mit Revolutions-Potenzial
Das Department für Bauen und Umwelt der Donau-Uni Krems wurde vom Österreichischen Fachverband für hinterlüftete Fassaden (ÖFHF) mit einer Untersuchung zur Lebenszykluskostenanalyse ausgewählter Fassadensysteme beauftragt. Im Rahmen der Studie wurde eine für den gemeinnützigen großvolumigen Wohnbau idealtypische fünfgeschossige Modellwohnhausanlage in sechs unterschiedlichen Fassadenausführungen modelliert und analysiert. Es wurde als Tragkonstruktion ein Wandaufbau aus 25 cm Hohlziegel angenommen. Für jedes Fassadensystem wurden reale Angebote eingeholt.

Wer macht das Rennen?
Das Ergebnis darf ohne Übertreibung als revolutionär eingestuft werden. Für das analysierte Gebäude betragen die Errichtungskosten von WDVS im Mittel zwar nur 40 % der Errichtungskosten von hinterlüfteten Fassaden, die Lebenszykluskosten der VHF- und WDVS-Fassaden sind in den vergleichbaren Szenarien im Mittel jedoch etwa gleich hoch. Mit anderen Worten: VHF und WDVS kosten, auf die Lebensdauer gerechnet, gleich viel. Die Gründe liegen, vereinfacht gesagt, in den höheren Instandhaltungskosten von WDVS. Dass diese Erkenntnisse nicht bloß graue akademische Zahlen-Theorien darstellen, beweist das Projekt „PopUp Studios“. Es stellt sich daher wohl nur noch die Frage, ab wann die VHF das Rennen für sich entscheiden ­werden. 


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