Beim 5. Bauherrenkongresses von M.O.O.CON und ÖGNI, heuer in Kooperation mit Delta, am 29. Jänner 2015 in Linz lag ein Fokus auf das Wohlbefinden und die Produktivität von Menschen in Arbeitsräumen und welchen Einfluss diverse subjektive, akustische, visuelle und thermische Faktoren haben.


Vor Kurzem wurde die neue Justizanstalt Korneuburg mit dem Österreichischen Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2014 ausgezeichnet, erinnerte der Keynote-Speaker Wolfgang Steger von FUTURE in seinem Eingangsreferat. Es handelt sich um ein Vorzeigehaus für ökologische, ökonomische und vor allem soziale Verantwortung. Wie der Leiter des Hauses laut Medienberichten betont, soll der Neubau die Anzahl der Disziplinarfälle um 30% und den Konsum von Schlafmitteln und Psychopharmaka um 75% reduziert haben. Die Menschen sind gesünder und ausgeglichener, so die Bilanz. „Wenn die Bedürfnisse der Menschen nicht beachtet werden, entstehen Stress- und Konfliktsituationen“, so Steger, der sich als Coach und Trainer mit Affinität zur Musik und Theologie intensiv mit subjektiven Faktoren des Wohlbefindens beschäftigt.

Menschliche Bedürfnisse
Welche menschlichen Bedürfnisse je nach Entwicklungsgrad einer Gesellschaft – aber auch einer Organisation oder eines Individuums – Vorrang haben, hat uns bereits 1943 Abraham Maslow vor Augen geführt. Wolfgang Steger entwickelte daraus das Modell der sieben Lebensebenen, das er als Grundlage für die Ableitung von subjektiven Faktoren des Wohlbefindens in Bezug auf Objekte verwendet:

1. Existenz erhalten, Überleben sicherstellen
2. Sicherheit, Heimat, Geborgenheit, Familie, dazugehören
3. Etwas weiterbringen, gestalten, Effizienz, Ziele, Erfolg, Power, Gewinnen
4. Kooperation, Zusammenwirken der Unterschiedlichen, Wertschätzung
5. Individuelle Lebensaufgabe, Berufung, Selbstentfaltung, Stimmigkeit
6. Beseelt sein von einer Vision
7. Mich einem Größeren zur Verfügung stellen

Subjektive Faktoren des Wohlbefindens in Gebäuden
Zu den Grundfunktionen, die Objekte und Räume zu erfüllen haben, gehört die Kommunikation:
  • Wer hat mit wem zu tun, wie findet das Miteinander statt und wie wird dies räumlich und gestalterisch abgebildet, unterstützt oder behindert?
  • Ein Gebäude, das die Unternehmenskultur widerspiegelt, empfinden Menschen als stimmig. Dieses Gebäude wirkt wiederum auf die MitarbeiterInnen im Sinne der Unternehmenskultur.
  • So wie die Steigerung des BIP kein Indikator für die Lebensqualität der Menschen in einem Land mehr ist, so muss jedes Unternehmen für sich definieren, was Lebensqualität in der jeweiligen Arbeitsumgebung bedeutet.  
  • Gemeinsame Ziele zu verfolgen ist das was Menschen in Unternehmen zusammenhält. Ein Gebäude muss dies unterstützen.
  • Komfort am Arbeitsplatz bedeutet nicht nur Bequemlichkeit, sondern auch ein Gefühl von Wertschätzung, Großzügigkeit und Freiheit. Dabei geht es um ein Wechselspiel zwischen Autonomie und Nähe, zwischen Rückzug und Kommunikation, zwischen Inspiration und Gestaltung. Dies manifestiert sich räumlich auf vielen Ebenen – ob in der Prozess- und Planungsqualität, in der Gestaltungsqualität von Arbeitsräumen, in den verwendeten Materialien, der Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur, der Verantwortung gegenüber der Umwelt oder in der Funktion von Arbeitsräumen, die Kommunikation und Rückzug, Gestaltung und Inspiration zugleich ermöglichen.

Licht als Medium der Seele und Akustik als die unsichtbare Architektur
Tageslicht kostet nichts, liefert Wärme, wirkt positiv auf den Menschen und wird leider zu wenig genutzt, stellte Frank Bunte von der Lichtakademie Bartenbach in seinem Beitrag zum visuellen Komfort fest. Dabei hat Licht einen wesentlichen Einfluss auf den Menschen: Es ist nicht nur für das Sehen, sondern auch für die hormonelle Regulierung des Körpers wichtig. Oder wie Prof. Bartenbach, der Gründer des Lichtspezialisten Bartenbach, es formuliert: „Licht ist das Medium des Sehens und der Seele.“
So plädiert Bunte dafür, bei der Planung von Gebäuden und Arbeitsräumen das Tageslicht stärker zu berücksichtigen. Wichtig seien dabei die richtige Menge, die Verteilung, der Sonnenschutz, der Bezug nach außen, die vorgeschriebene Intensität, die verschiedenen Sehaufgaben und die Positionierung von Arbeitsplätzen. Faszinierend sind in diesem Zusammenhang jene Entwicklungen, die Tageslichtqualität durch Kunstlicht erzeugen (COELUX).


Frank Bunte von Bartenbach plädiert für stärkere Berücksichtigung der Lichtplanung im Objekt-Bau. (Foto: M.O.C.OON)

Nicht nur der visuelle, sondern auch der akustische Komfort muss im Zeitalter von Activity Based Working – der Auflösung von Zellenbüros zu Gunsten von Arbeitsräumen, die eine Mischung aus offenen Bürostrukturen und diversen Rückzugsräumen hervorbringen – besser geplant werden. „Unser Ohr ist ständig wach und Lärm hat Auswirkungen auf unser soziales Verhalten, unsere Gesundheit und Produktivität“, erklärt Thorsten Rohde, Geschäftsführer des Akustikspezialisten Rohde-BeSB Noise + Vibration GmbH. Akustik kann man richtig planen, ist Rohde überzeugt, der diese Aufgabe „Design für unsere Ohren“ oder „die unsichtbare Klangarchitektur“ nennt. Entscheidend für eine gute Akustik ist die Berücksichtigung aller Flächen, von der Decke, über die Wände bis hin zum Fußboden und der Inneneinrichtung. So wirkt beispielsweise eine Schallabschirmung nur dann, wenn auch die Decke schallabsorbierend ist.

Auch der thermische Komfort spielt im Hinblick auf das Wohlbefinden und die Produktivität der Menschen in Arbeitsräumen eine wichtige Rolle, wie Marcus Hermes vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP erläuterte. Ein Wechselspiel aus physiologischen, intermediären und physikalischen Faktoren beeinflusst die thermische Behaglichkeit: So gehören beispielsweise die Lufttemperatur, die Luftbewegung (physikalische Faktoren), die Kleidung und der Tätigkeitsgrad (intermediäre Bedingungen) zu den primären und dominierenden Faktoren, die sich auf die thermische Behaglichkeit in einem Raum auswirken. Die Konstitution, das Alter, ethnische Einflüsse (physiologische Voraussetzungen) oder der Tages- und Jahresrhythmus (intermediäre Bedingungen) sind zusätzliche Faktoren, die bei der thermischen Komfortplanung zu berücksichtigen sind, während akustische oder optische Einflüsse oder der Luftdruck sekundäre oder vermutete Faktoren sind, die den thermischen Komfort beeinflussen.

Marcus Hermes vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP bei seinem Vortrag über thermischen Komfort. (Foto: M.O.C.OON)

Gerade in Zusammenhang mit den subjektiven Faktoren des Wohlbefindens sind auch die nutzerspezifischen Services rund um den Arbeitsplatz entscheidend. Denn „erst das Zusammenspiel zwischen Arbeitsumgebung und Services ermöglicht die optimale Performance“, so Christian Grohs, Facility Management Specialist beim ERSTE Campus der Erste Group Bank AG. Der FM-Spezialist zeigte auf, dass „Services“ heutzutage ein breit gefasster Begriff ist, unter dem nicht nur die Servicierung der Arbeitsräume, sondern auch beispielsweise der Lebensmitteleinkauf, die Rechtsberatung, die private Postlieferung oder die Bereitstellung von Fitnessräumen für die MitarbeiterInnen zu verstehen sind. Welche Services jedes Unternehmen anbieten möchte, hängt von der jeweiligen Unternehmenskultur und dem vorhandenen Budget ab. Entscheidend sei auf jeden Fall, dass die Anforderungen an den Betrieb des Gebäudes und die Services rund um den Arbeitsplatz möglichst früh und genau formuliert werden.

Mit einer spannenden Diskussionsrunde zur Frage, wie ein bauendes Unternehmen mit der Komplexität der Planung einer Immobilie optimal umgehen kann, ging der 5. Bauherren-kongress zu Ende. Partner auf Augenhöhe, die die Sprache der Nutzer versteht und die Anforderungen dieser an das Objekt rechtzeitig formuliert, sind dabei unerlässlich. Oder einfacher ausgedrückt: Ein Gebäude ist nie Selbstzweck, sondern immer Mittel zum Zweck.

ÖGNI zeichnete im Rahmen des Bauherrenkongresses auch die zwei von M.O.O.CON betreuten Projekte „Post am Rochus“ in Wien (Nachhaltigkeitsvorzertifikat nach DGNB in Silber) und das „Garant.Haus“ in Pöchlarn (Nachhaltigkeitszertifikat nach DGNB ebenfalls in Silber).

Weitere Informationen: www.moo-con.com

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